DER THERMALE WIDERSTAND

von Ferdinand Schmalz

"Es ist anzunehmen, dass bei der anerkannt großen Freiheitsliebe der Bevölkerung einerseitsund der erwiesen großen Rücksichtslosigkeit des möglichen Gegners andererseits esüber kurz oder lang zwangsläufig zu Zusammenstößen kommen wird.“

(Hans von Dach)

„Warnung! Auf dem Weg des geringsten Widerstandesist besonders hohes Verkehrsaufkommen zu erwarten!“(

KarlHeinz Karius)

„Auch wenn der Bademeister stirbt, ist lange noch nicht Badeschluss.“

(Dr. Folz, Geologin)

Ein beschauliches Kurbad soll zum Tropical Paradise umgestaltet werden. Bademeister Hannes ist gegen eine gewinnoptimierte Wellnesfabrik und bekommt prompt die Kündigung. Damit ist die Angelegenheit für ihn jedoch noch lange nicht erledigt - im Gegenteil: Hannes plant den Widerstand.

„Die Bäder denen, die baden gehen“ skandiert der Revolutionär in Badeschlappen und verbarrikadiert alle Ausgänge, während die Kurgäste – satt und doch von Schokokipferl träumend, beflissen,aber träge – am Beckenrand planschen. Doch Unwellness im Wohlfühltempel kann die Kurbadleitungnicht zulassen. In Zeiten, in denen fast jede Stadt ein Bad im Namen trägt und sich die Thermengegenseitig die Bäderkunden wegfressen, gilt es wettbewerbsfähig zu bleiben. Oder, wie Kurleiterin Roswitha zu sagen pflegt: „Ein jeder hat in Zeiten des globalen Thermenkannibalismus Opferzu bringen.“ Um den untergetauchten Revolutionär wieder an die Oberfläche und so in ihreArme zu spülen, greift sie bald zu radikalen Mitteln und flutet das gesamte Bad ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Welt als Thermalbad – Ferdinand Schmalz zeichnet mit seinem Stück ein treffendes Bild unserer Überflussgesellschaft, die ihr Recht auf Entspannung auch nicht aufgeben möchte, wenn den anderen das Wasser schon bis zum Hals steht. In der gewohnt bissig-komischen Inszenierung des spiel-betrieb tauschen die Protagonisten ihre sprichwörtlich weiße Weste gegen einen flauschigenBademantel und lassen den Zuschauer eintauchen in ein unterhaltsames Szenario zwischen Wassergymnastik und Revolutionstheorien.

Ferdinand Schmalz (geboren 1985 in Graz) studierte Theaterwissenschaft und Philosophie in Wien. Er war Regieassistent am Schauspielhaus Wien und am Schauspielhaus Düsseldorf. Mitseinem ersten Stück „am beispiel der butter“ gewann er den Retzhofer Dramapreis 2013. Es folgtedie Einladung zu den Mülheimer Theatertagen „Stücke 2014“ und die Zeitschrift „Theater heute“ wählte seinen Text zum „Stück des Monats“ (April 2014). Im Rahmen der Autorentheatertage Berlin wurde sein zweites Stück „dosenfleisch“ in der Spielzeit 2015/16 am Wiener Burgtheater uraufgeführt. „der thermale widerstand“ hat Ferdinand Schmalz für das Schauspielhaus Zürich geschrieben.Es bildet den Schlusspunkt seiner „Revolutionstrilogie“. 2017 gewann Ferdinand Schmalzmit „mein lieblingstier heißt winter“ den Ingeborg-Bachmann-Preis.